EXIT-sozial ist ein gemeinnütziger Verein, der psychosoziale und sozialpsychiatrische Dienste demokratisch und bedarfsgerecht entwickelt und anbietet. Das Engagement der Mitglieder und MitarbeiterInnen gilt den Menschen in unserer Gesellschaft, die auf Grund psychischer Krisen und Leiden geeigneter und leicht zugänglicher Hilfe und Unterstützung bedürfen.
Geprägt ist unser Engagement seit mehr als dreißig Jahren wesentlich von der immer breiteren Auseinandersetzung mit traditionellen Konzepten und Formen gesellschaftlicher und psychiatrischer Stigmatisierung, Entrechtung und Einsatz von Zwangsmitteln gegenüber Menschen bis weit in das 20. Jahrhundert, die nicht den dominierenden gesellschaftlichen (und nicht zuletzt medizinischen) Normen und gängigen Vorstellungen von „Normalität“ entsprachen. Zur Zeit der Gründung des Vereins engagierten wir uns für die ausgeschlossenen PsychiatriepatientInnen, die manchmal jahrzehntelang in großen Anstalten lebten und schufen Wege zur Integration.
Diese radikale Kritik und Forderung von tiefgreifenden Reformen, die auch mit der Arbeit des italienischen Psychiaters Franco Basaglia (1924-1980) verbunden waren, hat in den letzten vier Jahrzehnten immer stärkere internationale Anerkennung und Weiterentwicklung erfahren: in neuen Konzepten der Gemeinde- und Sozialpsychiatrie, im Soteria-Konzept und in entsprechenden Reformen des psychiatrischen Anstaltswesens und den psychosozialen und medizinischen Ausbildungen. Einen wesentlichen Höhepunkt dieser Entwicklung stellte die Verabschiedung der „UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung“ 2006 dar, die 2008 Eingang in die österreichische Rechtsordnung fand.
EXIT-sozial betrachtet es heute als eine wesentliche Aufgabe, die Normen und Leitlinien dieser UN-Konvention (im Sinne der Tradition des Vereines) gemeinsam mit anderen Organisationen im Alltag mit Leben zu erfüllen. Daher engagieren wir uns auch gesellschaftspolitisch für die Bereitstellung ausreichender Ressourcen.
Wir richten unser Augenmerk, unseren politischen Einsatz und unsere Praxis besonders auf Menschen mit psychosozialen Problemen, die unter prekären Verhältnissen, die medizinisch und therapeutisch mangelhaft versorgt sind und am Rande der Gesellschaft leben. Wir betrachten es als unsere Verantwortung, für die Interessen dieser Menschen einzutreten und ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Ging es anfangs um Befreiung aus der psychiatrischen Anstalt, versuchen wir nun das Ziel, Recovery und Empowerment zu erreichen.
… stehen Menschen mit psychosozialen Problemen und/oder Menschen, deren Verhalten von vorherrschenden Normen abweicht. Ziel unseres gesellschaftspolitischen Engagements ist mit ihnen Lebens- und Handlungsfreiräume zu schaffen und zu erhalten.
Ein weiteres Ziel der konkreten professionellen sozialen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Arbeit ist die Verbesserung der Lebensqualität durch Wiedergewinnung der Kontrolle über das eigene Leben (unter den konkreten Bedingungen der alltäglichen Erfordernisse) und die Entwicklung einer selbstbestimmten Lebensform.
Wir fördern Freiheit, Selbstermächtigung und Partizipation in der Überzeugung, dass jeder Mensch das Recht hat an den sozialen, kulturellen, und ökonomischen Beziehungen innerhalb der Gesellschaft auf seine/ihre besondere Art und entsprechend den eigenen Anschauungen teilzunehmen. Würde und Integrität, individuelle Fähigkeiten und persönliche Unabhängigkeit sind notwendige Voraussetzung für seine/ihre Selbstverwirklichung als Mitglied der Gesellschaft. Deshalb setzen wir uns für den Schutz von Grund- und Freiheitsrechten ein. Wir respektieren Integrität und Individualität und unterstützen persönliche Entwicklung und sexuelle Selbstbestimmung.
Wir wissen, dass auch die Kontrolle und Veränderung unkonventionellen oder störenden Verhaltens zu den gesellschaftlichen Funktionen von Psychiatrie und psychosozialen Diensten gehört und achten deshalb besonders darauf, dass unsere Angebote so eingerichtet und ausgestattet sind, dass die persönliche Freiheit der NutzerInnen nicht beschränkt wird und Behandlungen nicht gegen den persönlichen Willen angewandt werden. Wenn Grenzen und Einschränkungen gesetzt werden um die eigene und andere Personen zu schützen, muss dies verantwortlich, bedachtsam und im Dialog mit allen Beteiligten geschehen
Wir befürworten und fördern Hilfen zur Selbstermächtigung. NutzerInnen sollen sich langfristig und nachhaltig aus Hilfesystemen emanzipieren und befähigt werden, ihre eigenen Unterstützungsnetzwerke aufzubauen.
Wir fördern die Selbstvertretung von psychiatrieerfahrenen Personen, damit ihre Erfahrungen und Bedürfnisse deutlichen und wirksamen Eingang in die Konzeptentwicklung und Planung von psychosozialen Leistungen finden.
… leiten unsere professionelle Zusammenarbeit mit unseren NutzerInnen, MitarbeiterInnen und externen KooperationspartnerInnen.
Durch wertschätzende Begegnung und aktive Unterstützung der Würde jeder/jedes Einzelnen machen wir den Respekt vor der Person unabhängig von ihrer/seiner gesellschaftlichen Stellung erlebbar. Wertschätzung realisieren wir sowohl im kollegialen Umgang als auch im Umgang mit den NutzerInnen. Erst durch die Beachtung und reflexiv-kritische Auseinandersetzung mit der Lebenserfahrung des/der Einzelnen und deren Wertschatzung in jeder Begegnung wird Respekt zu einem aktiv gelebten und erfahrbaren Wert.
In unserem Handeln berücksichtigen wir das Prinzip der Intersektionalität, d.h. wir wissen darum, dass Menschen mehrfach benachteiligt sind und diskriminiert werden und tragen der damit verbundenen Komplexität Rechnung.
Mit der Beteiligung von Betroffenen an Entscheidungen fördern wir die Selbstbestimmungsfähigkeit und gewährleisten bedarfsorientierte Angebote. Die Transparenz von Betreuungsabläufen, Entscheidungsstrukturen, Leistungsumfang und verfügbaren
Ressourcen ist dafür unabdingbare Voraussetzung. Dies bedingt Informationen über Rechte, Pflichten und Beschwerdemöglichkeiten und eine klare Konfliktregelung.
In der Gestaltung der Arbeit setzen wir uns kritisch mit den Begrenzungen durch reale Machtverhältnisse, Sachzwänge und Interessenskonflikte auseinander und legen sie auch den NutzerInnen gegenüber offen. Wir versuchen, diese Spannungsfelder für Entwicklung und Neuorientierung zu nützen.
In der Arbeit mit KlientInnen/PatientInnen beachten wir deren Gefühle, Wahrnehmungen und Einschätzungen ebenso wie unsere eigenen Gefühle, Beobachtungen und Überlegungen. In dem wir uns somit persönlich und reflektiert in die Arbeit einbringen, verstehen wir psychosoziale und psychiatrische Arbeit als Beziehungsarbeit, in der professionelle Nähe unverzichtbar ist.
Wir verstehen, dass jeder Mensch Potenziale hat, die gelebt werden wollen und genützt werden können, um aktuelles Leid zu lindern, Probleme zu lösen und positive Entwicklung voranzutreiben.
Diese Grundhaltung, gepaart mit Empathie und Authentizität, ermöglicht uns, Hoffnung zu vermitteln, auch wenn ein Mensch mit scheinbar unüberwindbaren Schwierigkeiten und Leiden zu kämpfen hat.
Wir setzen im Gegensatz zur Behandlung in der psychosozialen Arbeit auf das Aushandeln von Zielen, Inhalten und Alternativen. Das heißt, alle beteiligten Menschen bringen ihre Bedürfnisse und Kenntnisse in den Betreuungsprozess ein und bestimmen, reflektieren und überprüfen Weg und Ziel gemeinsam. Wir beziehen Angehörige und das soziale Umfeld in der Suche nach Lösungen mit ein.
Als Alternative zu einer spezialisierten Sicht- und Handlungsweise verknüpfen wir in multiprofessionellen Teams unterschiedliche Perspektiven, Kenntnisse und Berufserfahrungen zu einem ganzheitlichen Angebot.
Die gesellschaftliche Tendenz der Medikalisierung psychischer, sozialer und gesellschaftlicher Probleme hinterfragen wir kritisch. Durch unser aktuelles medizinisches Wissen gepaart mit langjähriger Erfahrung und sorgfältiger multidisziplinärer Arbeit im Dialog mit unseren KlientInnen/PatientInnen beurteilen wir den Einsatz und Nutzen von Psychopharmaka differenziert. Daher legen wir besonderes Augenmerk auf mögliche negative Folgen der pharmakologischen Behandlung und klären dementsprechend über Risiken auf und unterstützen auch den psychopharmakafreien Umgang mit Problemen und Krisen.
Während bei schwerwiegenden beeinträchtigenden psychischen Problemen eine Behandlung mit Medikamenten als Teil eines Gesamtkonzeptes im psychosozialen Kontext hilfreich sein kann, lehnen wir eine voreilige Anwendung von Psychopharmaka oder ihren Einsatz an Stelle anderweitiger, nichtmedikamentöser Interventionsmaßnahmen, ab.
… leiten die Struktur und die interne Zusammenarbeit innerhalb der Organisation.
Durch die Vereinsmitgliedschaft können sich alle MitarbeiterInnen und NutzerInnen an den demokratischen Entscheidungsprozessen des Vereins beteiligen und die Organisation mitgestalten.
Auch zivilgesellschaftliches und freiwilliges Engagement wird im Sinne der Inklusion und Partizipation willkommen geheißen und gefördert.
Zur optimalen Erreichung unserer Ziele gestalten wir die Kultur unserer Zusammenarbeit kongruent mit unseren Werthaltungen und Prinzipien. Gemäß unserer Organisationsstruktur fördern wir gute Teamarbeit und das Schaffen und Pflegen von Netzwerken.
Wir legen Wert darauf, größtmögliche Handlungsfreiheit, Eigenverantwortung und Selbstorganisation für MitarbeiterInnen in jeder Einrichtung zu bieten und dafür die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Diese Struktur setzt eine Haltung voraus, in der Verantwortung und Fürsorge transparent und respektvoll angenommen, geteilt und eingefordert werden. In Leitungspositionen unterstützen und fördern wir diese Haltung bewusst, um dadurch auch die bestmögliche Arbeit mit KlientInnen zu gewährleisten.
Vorstandsvorsitzender Dr. Rudolf Ardelt
Linz, 07.03.2018
Link zur Leichter-Lesen UN-Konvention